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Digital HR und Künstliche Intelligenz – IBM Watson Career Coach & Co.

Interview mit Sven Semet – Business Development Manager @Assima & Thought Leader IBM Watson

Sven Semet ist seit dreißig Jahren im IT Business tätig. Er war bis Ende 2019 in verschiedenen Rollen bei IBM tätig, u.a. als HR Partner und Thought Leader Watson Talent. Aktuell ist er Business Development Manager bei Assima, wo er in den kommenden Jahren das Thema Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen voranbringen möchte. Zudem spricht er auf Konferenzen u.a. zu Future of Work, New Work, Chancen & Risiken der digitalen Transformation und zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz generell und speziell im Einsatz mit IBM Watson. Er ist studierter Informatiker und seit 2012 beschäftigt er sich bereits intensiv mit dem Thema Künstliche Intelligenz im Personalwesen. Er vereint somit die Themen Digitalisierung und HR. Das war ein guter Grund für mich, Sven Semet zu fragen, ob er sich ein Interview mit mir zum Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz im Human Resources Bereich und im Speziellen zum IBM Watson Career Coach vorstellen könnte. Hier nun das Interview:

Sven Semet – Business Development Manager @Assima & Thought Leader IBM Watson

Melanie: Was ist Ihr beruflicher Hintergrund und was machen Sie derzeit?

Sven Semet: Ich bin seit dreißig Jahren im IT-Business und diese dreißig Jahre, die waren schon spannend, aber die nächsten dreißig Jahre werden noch viel spannender, wahrscheinlich schon die nächsten fünf bis zehn Jahre. Ich bin eigentlich studierter Informatiker, der 2006 zu Personal gewechselt ist und sich seit 2012 im Bereich von künstlicher Intelligenz im Personalwesen tummelt. 2012 hat IBM die Firma Kenexa gekauft. IBM hat sich Kenexa ausgesucht, weil die schon sehr weit ist im Bereich von Eignungsdiagnostik. Seitdem hat eine Entwicklung stattgefunden, bei der IBM die bereits bestehenden Kenexa Lösungen zum Beispiel mit dem Watson Karrierecoach verbindet, auf den Sie ja auch aufmerksam geworden sind, der personalisiert und individualisiert Mitarbeitern Karriereempfehlungen gibt. Das ist mein Steckenpferd, HR-Daten zu nutzen, um bessere Personalentscheidungen treffen zu können. Ich bin jetzt zur Firma Assima gewechselt, die ein Businesspartner der IBM ist und mit der IBM Watson tatsächlich noch mehr Perfomance Support bietet und das insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens.

Melanie: Was glauben Sie, wo geht die Entwicklung in der Digitalisierung hin? Wo geht es hin mit der Künstlichen Intelligenz?

Sven Semet: Ich glaube, dass die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine zukünftig deutlich besser funktionieren wird. Dass die Mitarbeiter, egal in welcher Branche, ob im Banking, im Gesundheitswesen, im öffentlichen Sektor, aber auch klassisch im Manufacturing und im Retail Business, in ihrem jeweiligen Geschäftsprozess konkrete Handlungsempfehlungen durch KI bekommen. Und diese Handlungsempfehlungen sind datengestützt, durch die KI entsprechend ausgewertet und hochgerechnet, so dass die bestmögliche Aktion für eine Handlung rauskommt, z.B. entweder Teile einzukaufen oder einen Termin zu vereinbaren oder eine Kreditfreigabe zu erteilen oder was auch immer.

Melanie: Das finde ich spannend, weil Sie explizit Handlungsempfehlungen sagen. Heißt das, am Ende entscheidet der Mensch, was er damit macht und wie er mit diesen Daten arbeitet?

Sven Semet: Ja, das ist unsere Philosophie und mein festes Verständnis. Die letzte Entscheidung trifft immer der Mensch auf Basis einer entsprechenden Vorhersage. Ich kann natürlich schon viel automatisieren, aber eine letztendliche Entscheidung sollten dann immer Menschen treffen.

Melanie: Gerne würde ich jetzt genauer auf den HR-Bereich schauen. Wo wird da KI überall reinspielen? Was glauben Sie, was kommt da?

Sven Semet: In allen Ebenen, in der kompletten Personalkette wird sicherlich KI-Unterstützung kommen oder sie ist schon da. Im Recruitment sind wir schon ziemlich weit. Deshalb unterscheiden wir auch zwischen Kandidat und Bewerber. Der Kandidat ist jemand, der für das Unternehmen passen könnte, der muss im Netz gefunden werden. Also da gehen wir ins Active Sourcing oder Direct Sourcing. Dann geht es darum, die Kandidaten anzusprechen, möglichst mit einem interessanten Statement über das Unternehmen und sie anschließend mit einer passenden offenen Stelle zu matchen. Da können auf Basis der Daten eines Kandidaten bereits sehr tiefgreifende Analysen stattfinden. Ein schönes Beispiel ist ein gerade fertig gewordener Bachelor Student im Bereich Informatik. Der sucht nicht unbedingt eine Cyber-Security Stelle. Cyber-Security Stellen sind absolut unterbesetzt, es sind viel zu wenig Kandidaten da. Aber die KI kann möglicherweise in dem Profil dieses Informatikstudenten erkennen, dass er ein Faible für Datenschutz und für Security hat. Möglicherweise hat er auch in seinem Studium schon mal ein Praktikum im Bereich Datenschutz gemacht hat. Dementsprechend könnte hier dem Informatikstudenten eine Cyber-Security Stelle angeboten werden. Und es könnte ein Best Match werden. Das kann die KI möglicherweise deutlich besser als der Mensch. Die IBM macht das jetzt schon seit mehr als drei Jahren und sie haben in der Zwischenzeit bessere Kandidaten auf offenen Stellen. Das merken weniger die Recruiter, sondern die Fachabteilungen, die die Rückmeldung geben, ihr liefert uns bessere Bewerber in der Zwischenzeit. Und das ist natürlich ein Riesen-Asset, was da aus der KI kommt.

Melanie: Und wie sieht es in den anderen HR-Bereichen aus, z.B. in der Weiterbildung und der Beurteilung eines Mitarbeiters?

Sven Semet: Ja, gerade die Weiterbildung ist ein zweiter interessanter Bereich für die KI. Nicht mehr im Gießkannenprinzip irgendwelche Weiterbildungen auszuschütten, quasi auf Jobrollen bezogen, sondern mehr personalisiert und individualisiert. Darauf einzugehen, was kann der Mitarbeiter schon und aus welcher Lernhistorie kommt er. Und die Krönung ist dann anhand des Karrierepfades und dem, was der Mitarbeiter bereits mitbringt, passende Lernempfehlungen zu geben. Die Lernempfehlungen sollten nicht nur ein E-Learning beinhalten, das kann vielfältig sein, ein Praktikum, ein Klassenraum-Training oder ein Virtual Classroom. Da gibt es ja Lernpräferenzen von Personen und auch dies kann das System entsprechend berücksichtigen.

Melanie: Welche Rolle spielt dann noch der Mensch als Personalentwickler? Gibt es den Personalentwickler zukünftig noch oder hat der eine ganz andere Rolle?

Sven Semet: Den Personalentwickler wird es sicherlich weiterhin geben, aber tatsächlich mit einer anderen Aufgabenstellung und auch anderen Kompetenzen. Er sollte verstehen, wie die digitalen Systeme funktionieren. Also was habe ich für Daten in den Systemen. Deshalb kommen wichtige digitale Kompetenzen und Skills hinzu, die ein Personalentwickler zukünftig haben muss.

Melanie: Nehmen wir jetzt noch das Thema Personalbeurteilung. Wie kann man da mit KI arbeiten?

Sven Semet: Ja, da wird es ein bisschen schwieriger. Das hängt davon ab, wie ein Unternehmen in der Mitbestimmung aufgestellt ist und welche Daten zur Verfügung gestellt werden können. Da fällt oft der Begriff Reputation eines Mitarbeiters im Unternehmen. Und je besser die Reputation eines Mitarbeiters im Unternehmen ist, desto mehr Anerkennung und Wertschätzung und auch monetäre Anerkennung sollte der Mitarbeiter entsprechend bekommen. Bei IBM arbeitet man aktuell tatsächlich an einem so genannten Cognitive-Pay-System. Also einer Empfehlung der KI für monetäre Anerkennung, also Bonuszahlung, Gehaltsempfehlung oder Gehaltserhöhungsempfehlung auf Basis der KI. Das wird sicherlich in Ländern oder Geschäftsbereichen, wo die Mitbestimmung sehr stark ist, nicht so trivial einzuführen sein.

Melanie: Damit kommen wir zum Thema Mitbestimmung und dem Umgang mit Daten. Wie bewerten Sie das, wie gehen Sie damit um?

Sven Semet: Ich finde eine GDPR, oder DSGVO war auf jeden Fall dringend überfällig. Die Frage ist jetzt, was wir damit machen. Viele Unternehmen haben die Konsequenz daraus gezogen, dass sie weniger Daten speichern und nutzen, bevor sie in die Diskussion mit den Mitarbeitern oder auch den Kunden gehen, was er oder sie für einen Benefit davon haben kann. Ich glaube, da ist eigentlich der Knackpunkt, wenn der Mitarbeiter den Benefit sieht, dass aus den Daten die richtigen Erkenntnisse und Schlüsse gezogen werden, dann wäre der Mitarbeiter auch viel offener und bereit Daten freizugeben. Da muss man versuchen, Offenheit zu diskutieren, Transparenz und Nachvollziehbarkeit reinbringen. Dann wären die Mitarbeiter, glaube ich, offener dafür entsprechende Daten zur Verfügung zu stellen. Hier braucht es natürlich auch eine gewisse digitale Kompetenz. Ich empfehle allen Unternehmen, bindet eure Mitbestimmung frühzeitig mit ein und bildet alle involvierten Funktionen in digitaler Kompetenz weiter, damit verstanden werden kann, was mit den Algorithmen et cetera möglich ist. Und zeigt entsprechend auf, dass grundsätzlich nichts Böses damit gewollt ist. Sondern wir wollen alle den besseren nächsten Schritt machen.

Melanie: Jetzt möchte ich gerne genauer auf den IBM Watson Career Coach schauen, was kann der denn alles? Wie kann ich mir das vorstellen, ich bin jetzt Mitarbeiter und möchte mit diesem in Kommunikation treten. Was kann ich da alles machen, was sagt der mir?

Sven Semet: Grundsätzlich muss man hier wissen, dass der Karriere-Coach ein Tool für den Mitarbeiter ist, ein Navigationssystem für die Karriere. Dessen Daten auch nur für den Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Dahinter liegen anonymisierte Auswertungen, also wie nutzen die Mitarbeiter dieses Tool, aber auf Müller, Maier, Schmidt werden da keinerlei Analysen gefahren. Die erste Funktionalität, die der Karrierecoach hat, ist ein Chatbot. Einen Chatbot, den ich alles fragen kann in Bezug auf meine Karriere: „Was ist mein nächster Karriereschritt, was sollte ich denn möglicherweise lernen? Was kann ich denn in der nächsten Karrierestufe verdienen?“ Ich kann da beliebige Fragen stellen und bekomme Antworten oder auch Rückfragen in Form von: „Hast du einen Mentor, hast du einen Coach? Du hast keinen Mentor, willst du einen Mentor haben? Hier gibt es eine Datenbank an Mentoren, die suchen neue Mentees. Soll ich dir einen Termin vermitteln zwischen Mentor und Mentee? Hier gibt es ein Formular, eine entsprechende Mentoren-Vereinbarung…“ Der Chatbot hat auch Zugriff auf sämtliche offene Stellen, die es im Unternehmen gibt. Also kann er hier auch offene Stellen empfehlen. Dann kann der Chatbot oder das System noch aufzeigen, was dem Mitarbeiter möglicherweise noch an Skills und Kompetenzen fehlt, damit er optimal für diese offene Stelle passt. Also es ist tatsächlich ein Kriterium Medium-Fit, High-Fit oder Low-Fit auf diese offene Stelle. Und wenn ich dort kein High-Fit habe, dann fehlen mir Kompetenzen und Skills und es kommt eine Empfehlung, was ich noch lernen sollte, damit ich diesen Skill und diese Kompetenz aufbauen und mich dann entsprechend auf diese Stelle bewerben kann. Außerdem ist noch eine weitere Funktionalität drin, was jetzt einige Unternehmen in ihrer Transformation nutzen, wie groß ist der Demand im Unternehmen diese Stellen zu füllen. Da arbeitet man mit Low Demand, Medium Demand oder High Demand. Da haben wir zum Beispiel die Automobilbranche, die weg vom Verbrennungsmotor zur Elektrifizierung geht. Die Unternehmen wissen, sie kriegen die Mitarbeiter für Elektrifizierung nicht vom Markt. Das heißt, sie müssen umschulen und da kann ich dann mit so einem Karrierecoach schön arbeiten und sage ihm: „Mitarbeiter, es gibt offene Stellen mit einem hohen Demand in anderen Geschäftsbereichen, dafür müsst ihr Folgendes lernen und dann könnt ihr euch entsprechend darauf bewerben.“ Also ich kann durch den Karrierecoach auch eine Transformation bei einem Mitarbeiter unterstützen. Und bei offenen Stellen gibt es noch ein Navigationssystem, wo ich anklicken kann, welche offenen Stellen interessieren mich und die dann miteinander vergleichen. Es gibt dabei nicht nur klassische Karrierepfade, wie z.B. ich bin ein Junior IT-Spezialist, werde Senior Spezialist, werde dann ein Executive IT-Spezialist. Ich kann auch als IT-Spezialist Projektmanager oder Architekt werden und dann vielleicht sogar in den Vertrieb gehen. Das kann ich entsprechend darstellen, wenn ich die Karrierewege oder Pfade im Unternehmen beschrieben habe.

Melanie: Wie lange ist der Career Coach schon im Einsatz?

Sven Semet: Die IBM hat ihn 2016 entwickelt, in den Rollout kam er 2017. Also gute zwei Jahre ist der Karrierecoach im Einsatz.

Melanie: Wie viele Mitarbeiter nutzen den virtuellen Karriere Coach bereits?

Sven Semet: Das weiß ich aktuell nicht so genau, die letzte Zahl, die ich im Sommer noch gehört habe, waren 170.000 IBMler haben Zugriff das sind bei 380.000 IBMler also schon gut ein Drittel.

Melanie: Wo geht es damit hin? Wie muss ich mir so ein Zukunftsszenario gerade im HR-Bereich vorstellen. Ich habe diesen Career Coach und nehme jetzt an, er wird immer intelligenter, immer schlauer, je nachdem wie wir es nennen möchten. Der kriegt immer mehr Daten und kann bessere Aussagen treffen, kann mir bessere Empfehlungen geben. Wie kann ich mir da eine Schnittstelle zum Menschen, nicht nur zum Mitarbeiter, sondern auch zum HR-Mitarbeiter vorstellen?

Sven Semet: Die HR-Mitarbeiter werden sicherlich auf Basis von Dashboards und Reportings entsprechend Auswertungen bekommen und dann auch sehen, wie sich die Mitarbeiterschaft weiterentwickelt. Diese Daten werden immer besser. Und ich kann auch sicherlich zukünftig bessere Vorhersagen machen. Was muss ich denn zum Beispiel tun, damit eine Retention im Unternehmen akzeptabel bleibt und damit ich möglicherweise die Unternehmensstrategie in den neuen Technologien entsprechend unterstütze. IBM hat zum Beispiel die letzten circa zwei Jahre das Thema Blockchain sehr stark fokussiert und rollenbasiert alle Mitarbeiter in der Blockchain Technologie geschult. Da hat natürlich ein Finanzer und ein HRler etwas weniger bekommen als die IT-Spezialisten und Projektmanager und erst recht der Vertrieb, auch dort wurde rollenbasiert eine Weiterbildung gemacht. Und das ist so eine typische Geschichte, die für einen Personalentwickler interessant ist. Es gibt eine neue Technologie und ich muss das entsprechend ins Unternehmen transportieren. Damit dort die neuen Projekte mit den Skills und Kompetenzen unterstützt werden können. Der Mitarbeiter selber – da bin ich felsenfest überzeugt -bekommt persönlich immer mehr Daten über sich selber und kann damit die Vielfalt der Möglichkeiten im oder auch außerhalb vom Unternehmen besser nutzen.

Melanie: Was würden Sie sagen, wie gehen die jungen Generationen mit diesen neuen technologischen Möglichkeiten um? Was bekommen Sie mit? Sind diese offener oder kritischer? Ich selbst habe festgestellt, dass dies sehr unterschiedlich ist.

Sven Semet: Ja, ich würde auch bestätigen, dass es da nicht ein Muster der Generation Z oder der Generation Y gibt, sondern tatsächlich, dass es sehr vielfältig ist. Generell erlebe ich aber eine gewisse Offenheit, Daten zur Verfügung zu stellen, auch ohne eine Erwartungshaltung. Gerade im Recruitment: „Ich habe keine Lust hier und da zig Masken auszufüllen und irgendwelche Dokumente hochzuladen et cetera. Das steht doch alles in meinem LinkedIn oder Xing Profil, nutzt doch die Daten, die dort stehen.“ Das entwickelt sich langsam in Europa, noch langsamer in Deutschland. In anderen Ländern ist das LinkedIn Profil bereits sehr weit fortgeschritten. Und dementsprechend wird das zur Authentifizierung gerade im Recruiting Bereich schon genutzt. Also von dem her ist da immer mehr Offenheit an der Stelle. Was sich abzeichnet für Unternehmen, ist der Fokus der jüngeren Generationen, tatsächlich etwas Sinnvolles zu arbeiten. Und dass der Purpose des Unternehmens eine wichtige Rolle spielt. Für was steht das Unternehmen, wie positioniert sich das Unternehmen auch zu aktuellen Marktgegebenheiten, zu neuen Technologien, aber auch zu gesellschaftskritischen Themen. Und von dem her müssen sich die Unternehmen auch entsprechend positionieren und können da gewinnen oder möglicherweise auch verlieren. Das wird sicherlich in den Daten noch etwas wenig reflektiert. Wie passe ich da als Mitarbeiter zu einem Unternehmen? Ich könnte mir gut vorstellen, dass das eine schlaue Weiterentwicklung sein wird: „wofür interessiere ich mich als Mitarbeiter, was möchte ich denn wirklich erreichen als Mitarbeiter?“.

Melanie: Wozu möchte ich beitragen? Was ist mir an einem Unternehmen wichtig, was kann ich dafür tun?

Sven Semet: Genau, wir haben dazu tatsächlich schon eine kleine Watson Funktionalität. Wir nennen das Social Listening. Also das Social Listening von Watson versucht herauszufinden, was sind die Schwachpunkte der aktuellen Anstellung im Gegensatz zu den positiven Punkten des eigenen Unternehmens. Und was sind die Vorlieben des Kandidaten. So in der Form: „dein heutiges Unternehmen bietet so gut wie nichts im beruflichen Gesundheitsmanagement. Wir haben folgende Angebote bei uns im Unternehmen… Wir wissen du läufst gerne oder machst gerne Yoga oder ernährst dich gerne gesund. Wir haben im Unternehmen übrigens folgende Laufgruppen in der Lokation…“ Solche wirklich individualisierten, personalisierten Diskussionsvorschläge, das kann Social Listening leisten.

Melanie: Wenn man jetzt nach draußen schaut, was in den Unternehmen passiert. Wie sind denn die HR-Abteilungen darauf verbreitet? Was beobachten Sie da?

Sven Semet: Auch da gibt es natürlich die ganze Bandbreite, teils, teils. Ich bin ja viel auf Konferenzen unterwegs und halte entsprechende Vorträge und führe Diskussionen. Da bekommt man Feedback wie, das ist ja Science-Fiction bis hin zu, machen wir auch schon.

Melanie: Jetzt gibt es noch ein Thema, da möchte ich gerne genauer draufgucken. Wenn man sich die HR-Abteilungen anschaut, da gibt es sicherlich Menschen, die sagen, „mir macht das Angst, was da passiert. Ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll. Dann gibt es da so einen Chatbot, was mache ich denn jetzt als HR-Mitarbeiter, braucht es mich irgendwann noch, werde ich noch erforderlich sein?“ Was kann man aus Ihrer Sicht machen, um mit diesen Ängsten umzugehen?

Sven Semet: Eine wichtige Diskussion, eine wichtige Fragestellung. Da kann man jeden HRler nur motivieren, sich kontinuierlich weiterzubilden. Kontinuierliche Weiterbildung ist auch für den HRler zwingend notwendig und wer das verpasst, der wird sich tatsächlich dann irgendwann mal die Fragestellung gefallen lassen müssen. Eine Gehaltsabrechnung wird möglicherweise irgendwann kaum mehr ein Unternehmen selber machen. Viele haben es ja jetzt schon ausgelagert. Auch im Recruiting brauchen wir irgendwann niemanden mehr, der Bewerbungsunterlagen lesen und eine Erstauswahl treffen wird, das macht zukünftig ein Algorithmus. Aber was man brauchen wird, ist dann jemand, der zum Beispiel den Chatbot „füttert“. Weil im Chatbot möglicherweise Fragen reinkommen, die der Chatbot standardmäßig nicht beantworten kann. Dort muss jemand quasi als Journalist, als Redakteur darauf achten, welche Fragen der Chatbot nicht beantworten kann und wie füttere ich den Chatbot dann möglicherweise mit neuen Inhalten. Da gibt es dann neue Jobs in HR und da müssen die Personaler offen sein für Veränderungen.

Melanie: Das ist das eine. Was können Unternehmen tun, was kann die Gesellschaft und die Politik tun?

Sven Semet: Da gibt es schon einige Initiativen, z.B. aus der Wirtschaft heraus, die das Thema digitale Kompetenz in der Gesellschaft beflügeln. Eines meiner letzten Projekte in der IBM war das Launching der Plattform Skills Build. Wo wir in einem digitalen Lernformat Lernende weiter bilden in digitalen Kompetenzen. Dort geht es darum, zu lernen, was ist Design Thinking, was ist Creative Problem Solving, wie entwickle ich einen Chatbot. Es geht auch in das App Development rein. Und was ist eine User Experience. Das ist ein Zyklus von drei bis vier Monaten, den wir dort mit Lernenden durchlaufen und kleine Projekte machen und somit entsprechend qualifizieren. Da gibt es ganz viele Initiativen. Das könnte natürlich sicherlich noch mehr gefördert werden, sage ich mal durch die Politik an dieser Stelle. Wobei ich hier in Baden-Württemberg auch eine Initiative begleite. Das Wirtschaftsministerium hat letztes Jahr die sogenannten Digihubs announced. Das sind zehn Hubs in Baden-Württemberg, die mit einer Million Euro ausgestattet sind, die speziell den Fokus auf Mittelstand und Kleinbetriebe haben, digitale Skills in ihrer Region mit entsprechenden Formaten zu entwickeln. Das ist zum Beispiel eine Initiative vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, was da ganz vorne mit dabei ist. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat viele tolle Initiativen gestartet. Unter Experimentierräume.de findet man viele solcher Initiativen mit einem entsprechenden Förderbudget. Aktuell darf ich noch eine Studie begleiten, wo wir untersuchen, wie denn die Auswirkung von künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt aussehen wird. Das machen wir gemeinsam mit Verdi als Gewerkschaft und IBM in Kooperation mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die ersten Erkenntnisse der Studie haben wir auf der Zukunft Personal in Köln vorgestellt. Und das ist nicht so dramatisch für die Personaler. Die Angst ist da größer, als tatsächlich Chancen existieren. Das werden wir im Frühjahr und Sommer dieses Jahres noch deutlicher darstellen können. Und mit der Telekom gibt es eine Untersuchung, wie die künstliche Intelligenz die Telekom Mitarbeiter in ihrer Tätigkeit unterstützen kann. Da wird gerade ein Feldexperiment aufgesetzt.

Melanie: Gibt es jetzt am Ende des Interviews noch etwas, das Sie gerne mitgeben möchten?

Sven Semet: Mein persönlicher Weg ist aktuell gerade raus aus der IBM, rein zur Assima mit der Intention, das Thema künstliche Intelligenz noch mehr in die Praxis zu bekommen. Mir liegt das Thema Gesundheitswesen stark am Herzen, also der Healthcare Bereich. Weil ich glaube, dass wir bei dem überall fehlenden Personal im Gesundheitsbereich, egal ob Krankenschwester, Pfleger, Ärzte et cetera, deutlich besser unterstützen können. Das ist meine Motivation unter dem Titel „Leben retten mit künstlicher Intelligenz“ und die nächsten zwei, drei Jahre auf jeden Fall einige Leuchtturmprojekte zu künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen zu ermöglichen.

Melanie: Ich bedanke mich ganz herzlich für das spannende Interview.

Sven Semet: Sehr gerne.  

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