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Remote Teams – Transparenz, Self-Improvement und Entrepreneurial Spirit als zentrale Merkmale für verteilte Teams bei Buffer

Interview mit Marcus Wermuth – Engineering Manager bei Buffer

Marcus Wermuth ist Engineering Manager bei Buffer, einem der renommiertesten verteilt arbeitenden Unternehmen. Derzeit konzentriert er sich auf die Themen Führung und Management in verteilten Unternehmen und darauf, wie wir in einer digitalen Welt psychologisch vertrauensvolle Teams aufbauen können. Marcus schreibt über virtuelle Führung und leitet Workshops zum Thema Management in verteilten Teams.

Buffer bietet eine Software-Plattform, die Unternehmen hilft, ihren Brand durch Social Media aufzubauen und online mit ihren Kunden in Kontakt treten zu können. Die Besonderheit von Buffer ist, dass alle Teams von insgesamt 90 Personen über 15 Länder verteilt komplett remote zusammen arbeiten. So auch das Team von Marcus. Das war ein guter Grund für mich Marcus zu fragen, ob er für ein Interview zum Thema Remote Teams zur Verfügung stehen würde. Hier nun das Interview:

Marcus Wermuth – Engineering Manager bei Buffer

Melanie: Zunächst möchte ich dich fragen, was deine aktuelle Rolle bei Buffer ist.

Marcus: Also mein Job bzw. meine Jobbezeichnung ist Engineering Manager. Ich manage ein Engineering Team bei Buffer und das ist das Mobile Team. Ich habe vor vielen Jahren als Ingenieur im Mobile-Bereich angefangen. Mein Aufgabenbereich hier bei Buffer ist das eines People Managers. Meine Rolle beinhaltet zudem noch ein bisschen die eines Product Managers, da ich die Produkte, die das Mobile Team baut, auch in den Kontext der Firma bringen muss. Um vielleicht kurz noch was zur Firma zu sagen, was vielleicht wichtig ist, Buffer ist eine fully remote Firma. Das heißt wir haben kein Büro. Wir sind neunzig Leute die von Australien bis zur Westküste Amerikas verbreitet sind. Wir bauen Tools für Firmen, um online ihren Brand aufzubauen. Das heißt, viel läuft über Social Media. Buffer hat mit nur einem Tool angefangen, dabei geht es um das Teilen auf Social Media. Mittlerweile haben wir aber noch zwei andere Tools, die sich mit dem Thema Analytics und dem Thema Engagement auf Social Media befassen. Und mein Team baut quasi für diese diversen Produkte eine Mobile-Lösung.

Melanie: Und wie groß ist dein Team für das du verantwortlich bist?

Marcus: Es sind fünf Personen, mit mir sechs.

Melanie: Okay. Und ihr seid komplett verteilt und ihr habt kein festes Büro!?

Marcus: Genau. Das ist auch einer unserer Values, ich sage es jetzt mal auf Englisch: „work where you happiest“. Also da, wo man sich am glücklichsten fühlt. Ich würde sagen, dass sechzig, siebzig Prozent von zu Hause arbeiten. Die anderen dreißig Prozent, vielleicht sind es auch vierzig arbeiten in Coworking Spaces. Wir haben ein, zwei Personen, die auch sehr viel reisen, aber das ist eher die Minderheit.

Melanie: Und die Personen, die in Coworking Spaces arbeiten, organisieren die das für sich selbst, oder habt ihr da irgendwelche Kooperationen?

Marcus: Wir haben keine Kooperationen, aber wir haben Perks und Benefits, die Buffer uns gibt. Man kann am Anfang entscheiden, ob man vom Home-Office arbeitet, so wie ich. Dann bekommt man 500 Dollar, um sich das einzurichten und noch jedes Jahr einen gewissen Betrag. Oder man entscheidet sich, in einen Coworking Space zu gehen. Dann bezahlt Buffer natürlich im Rahmen dieses Coworking Spaces.

Melanie: Und wie schätzt du das ein, wie funktioniert diese Art des Arbeitens?

Marcus: Gute Frage. Also ich mag es nicht mehr missen. Ich kenne auch das Arbeiten nicht anders. Ich habe während der Uni schon angefangen, als Freelancer zu arbeiten. Als Freelancer arbeitet man ja häufig auch von zu Hause. Und das habe ich für fünf, sechs Jahre gemacht, das ist auch schon eine Art verteiltes Arbeiten. Ich sage mal so, diese Arbeitsweise war mir nicht unbekannt. Natürlich dann Manager zu sein, ist nochmal eine ganz andere Geschichte. Ich habe bei Buffer als Ingenieur angefangen, als Developer, und habe eineinhalb Jahre im Mobile Team gearbeitet und bin dann anderthalb Jahre, nachdem ich angefangen hatte, in die Management Rolle gewechselt. Das war natürlich schon eine große Änderung und vor allem dann remote oder verteilt diese ganze Sache zu betreiben. Man hat die Leute nicht neben sich. Ich will das Ganze nicht Schönreden. Es ist auch schwierig, so verteilt zu sein, weil die Zeitzonen es einem nicht einfacher machen. Auch das Problem der Isolation, wenn man alleine zu Hause arbeitet und niemanden neben sich hat. Also es hat auch Nachteile, aber ich würde sagen, dass die positiven Seiten von Remote Work, sei es für mich persönlich, sei es für die Firma, sei es für die Umwelt, sei es für die Wirtschaft, sehr viel mehr Vorteile hat als Nachteile. Also ich mag es nicht mehr missen.

Melanie: Und wie häufig seht ihr euch face-to-face im Direktkontakt?

Marcus: Also ich sage mal so zwei bis dreimal im Jahr, also das ist schon so das Minimalste. Wenn ich mal für eine Konferenz oder so in London bin, dann treffe ich auch da Personen aus unserer Firma.

Melanie: Wie würdest du denn den Arbeitsstil deines Teams bezeichnen? Ist das ein agiles Arbeiten, oder was ist das für eine Art des Arbeitens?

Marcus: Es hängt von Team zu Team ab. Buffer ist nicht so eine Firma, die sagt, so ist das jetzt, so macht das jeder. Es ist den einzelnen Teams überlassen, wie sie gut arbeiten können, weil die Setups jeweils anders sind. Ich würde schon sagen, wir sind eher agil, also zum Beispiel das Web-Publish-Team, die arbeiten nach Scrum. In meinem Team ist das nochmal ein bisschen spezieller, da wir auch viel von anderen Teams abhängen. Wir sind da, würde ich sagen, sehr flexibel. Also wir experimentieren viel und wir schreiben nicht eine Version auf und die ist das für die nächsten zehn Jahre. Es ist im Großen und Ganzen flexibel und anpassbar. Und ein großer Fakt ist das asynchrone Kommunizieren, was auch in den Arbeitsstil mit reinkommt. Was sehr, sehr wichtig ist. Also geschriebene Kommunikation ist in Remote Work unabdingbar, das wichtigste überhaupt. In einem Gespräch da kann man Sachen anders ausdrücken oder andere hören es nicht. Aber das geschriebene Wort ist erstens einfacher teilbar und zweitens klarer beschreibbar. Das heißt, dieses geschriebene Wort, dieses Teilen von Informationen, Aufschreiben von Informationen, ist sehr wichtig bei dem Arbeitsstil.

Melanie: Wie macht ihr das? Wie stellt ihr das sicher? Was nutzt ihr für Tools dafür?

Marcus: Die Toolfrage, die kommt immer. Die beantworte ich, indem ich sage, es kommt nicht auf die Tools an, sondern auf die Prozesse. Ein Prozess ist nicht fix niedergeschrieben. Sondern funktioniert irgendwas nicht, passen wir das an. Wir sind da immer sehr dran, dass wir uns verbessern. Der eine Prozess ist, wie wir das gerademachen, ein Video Call. Der andere Prozess ist so eine Art Handbuch, in dem der Inhalt steht, wie die Firma funktioniert. Was bezahlt uns Buffer. Wann ist der nächste Retreat. Oder wie funktioniert das Team. Da steht auch drin, wie wir miteinander kommunizieren. Da ändern sich die Dinge nicht so schnell. Wir sagen Evergreen Content, da er langlebiger ist. Dann gibt es einen anderen Prozess, das sind Protokolle. Und dann wäre der letzte sehr wichtige Prozess, das ist ein Tool für den Prozess der asynchronen Kommunikation. Wir benutzen intern, was ich ziemlich erstaunlich finde, keine E-Mails mehr. Wenn ich dir per Email etwas schreibe, wie „Hey, das sind meine Gedanken, wir müssen darüber diskutieren“, weiß ich nicht, ob du es gesehen hast und wann du darauf antwortest. Das Tool hilft uns, Diskussionen zu führen und Updates zu teilen. Jede Woche habe ich einen wöchentlichen Update Thread, um zu sagen „Hey das machen wir…“ Dann sehe ich, ob Leute das gesehen haben. Personen können das als Follow-up markieren. Das heißt, ich weiß, wenn die mir noch was sagen wollen, und muss nicht fragen „Hey, hast du noch was zu sagen?“, sondern ich sehe das. Das geht einfach und das vereinfacht den Prozess der asynchronen Kommunikation.

Melanie: Das heißt mit diesem Tool kann das asynchron erfolgen, aber es ist transparenter als Email, ich sehe jemand arbeitet dran, hat dran gearbeitet und so weiter. Und deshalb arbeitet ihr intern tatsächlich nicht mehr mit E-Mail?

Marcus: Ja, genau. Wir sind generell radikal transparent. Alle unsere Gehälter, unsere Reviews sind alle von jedem einsehbar.

Melanie: Kannst du den Namen des Tools nennen?

Marcus: Wir benutzen Threads. Solche Tools sind für Teams wie uns ausgelegt, für virtuelle Teams, um zu kollaborieren. Also so wie wir es machen, muss nicht heißen, dass es der perfekte Weg für jeden ist. Das ist halt noch sehr neu diese Form der asynchronen Kommunikation.

Melanie: Gibt es noch etwas, was typisch für euch ist? Oder was ihr anders macht?

Marcus: Also ich weiß jetzt nicht, ob wir es ganz anders machen als andere, aber, wenn ich an Buffers Kultur denke, sind es immer drei Sachen, die mir in den Kopf kommen. Das ist einmal, dass wir bekannt sind in der Start-up Szene, vor allem durch unsere Transparenz. Transparenz ist für uns sehr wichtig und ich sage das auch immer in Vorträgen für Remote Arbeit oder verteiltes Arbeiten, das ist unabdingbar. Die andere Sache ist Self-Improvement. Für uns ist der Status quo nie in Stein gemeißelt. Wir versuchen immer die Sachen zu ändern. Also dieses kontinuierliche Verbessern der Sachen ist sehr, sehr wichtig und gerade, weil diese Art von Arbeit noch relativ neu ist und wir einfach experimentieren müssen. Dieses Experimentieren und die Sachen zu hinterfragen, finde ich sehr wichtig und das machen wir, wie ich finde, recht gut. Und dann ist da noch eine Sache, die wir noch in unserer Kultur haben, eher nach innen, das ist Entrepreneurial Spirit. Das heißt, das spiegelt so ein bisschen wieder, was man als Remote Worker auch braucht, diesen Drang eigenständig arbeiten zu wollen, Vorantreiben von Themen und proaktiv zu sein.

Melanie: Was ist noch wichtig in remote arbeitenden Teams?

Marcus: Beziehung aufbauen ist sehr, sehr wichtig. Natürlich, viele Sachen, die ich sage, sind auch wichtig in anderen Teams. Die kommen nur nochmal sehr viel mehr heraus bei virtuellen Teams. Dieser Verbindungsaufbau zu den Leuten ist wirklich sehr, sehr wichtig, weil man dann gegenseitiges Vertrauen herstellen kann. Nicht nur ich in meine Teammitglieder, sondern auch die in mich. Dass sie wissen, der Marcus steht hinter mir, der kümmert sich um unser Team, dem kann ich vertrauen. Also das ist unabdingbar in jedem Team. Aber in Remote Teams nochmal mehr, weil ich z.B. den einen Entwickler nur zweimal in der Woche mit Gesicht per Video sehe. Oft sieht man nur das Ergebnis einer Person. Wenn derjenige nicht produktiv ist, nicht gut arbeitet, dann muss ich mich da rein fühlen und da hilft es, eine Verbindung zu den Leuten zu haben.

Melanie: Braucht es deiner Meinung nach bestimmte Typen, die so arbeiten können, oder kann man das auch lernen?

Marcus: Eine Frage mit der ich immer ein bisschen zu kämpfen habe. Ich bin der Meinung, dass das jeder kann, aber nicht jeder ist im Moment in der Lage. Manche müssen vielleicht bestimmte Skills dazu lernen, andere haben die schon, aber ich bin der Meinung, dass es jeder kann. Natürlich gibt es Personen, die sagen gleich: „Nein das möchte ich nicht, ich will Leute neben mir haben.“ Jeder kann das für sich entscheiden. Ich bin jedoch der Meinung, dass es jeder kann.

Melanie: Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Kommunikation unterschätzt wird in verteilten Teams. Wie siehst du das mit der Kommunikation in Remote Teams?

Marcus: Das ist das A und O. Wenn wir nicht kommunizieren würden, wären wir eigentlich nur Freelancer, die auf der Welt verteilt sind. Also es ist wirklich der Atem der Firma, oder der des Teams, zu kommunizieren.

Melanie: Und da schließt sich eine Frage an. Und zwar, wir sprechen jetzt immer von Team, warum denkst du denn, dass ihr ein Team seid?

Marcus: Sehr gute Frage. Wenn ich nur an die Definition eines Teams denke, kommt das Ziel, die Motivation, der Purpose, das kommt halt vor weg. Mein Team, das Mobile Team, wir haben auch eine Vision, wir arbeiten zusammen und wir motivieren uns gegenseitig, um unsere gemeinsame Sache voranzutreiben. Also das ist, glaube ich, der wichtigste Fakt. Und dann natürlich auch menschlich, dass wir miteinander zurechtkommen, dass wir vor allem auch miteinander besser werden wollen, dieses gegenseitige miteinander wachsen wollen. Ich werde immer wieder gefragt, gibt es eigentlich keinen Neid aufgrund der Transparenz der Gehälter? Habe ich noch nie bemerkt bei Buffer, was jetzt das Gehalt angeht, weil wir einfach wissen wieso. Also diese Sache, dass man sich gegenseitig hilft und zusammen der Vision entgegenarbeitet, das würde ich sagen, macht uns aus als Team.

Melanie: Wie würdest du denn deinen persönlichen Führungsstil beschreiben?

Marcus: Ich glaube, eher ein persönlicher und individueller. Wir klassifizieren das nicht. Natürlich gibt es gewisse Values, die wir als Firma haben. Und bei den Engineering Managern sind wir eine größere Managergruppe. Wir haben ein wöchentliches virtuelles Zusammenkommen, wir reden da viel, tauschen uns gegenseitig aus und Lernen gemeinsam und das macht es, glaube ich, aus. Da baut sich viel miteinander auf, um den Führungsstil in mehrere Richtungen zu bewegen.

Melanie: Gibt es bei euch trotz aller Selbstorganisation auch Hierarchien?

Marcus: Jein. Wir haben Manager, somit haben wir Hierarchien. Ich sehe das jedoch eher als Netzwerk. Es gibt große Punkte und kleine Punkte, aber alles ist miteinander verbunden. Es gibt Hierarchien, aber die sind jetzt nicht die Hierarchien, wie es vielleicht vor dreißig, vierzig Jahren in den Firmen gab. Hauptsächlich ist es meine Aufgabe, die Teamkultur aufrecht zu erhalten, dass alle effektiv arbeiten können, dass alles sicher ist und jeder sich weiterentwickeln kann. Ich würde sagen, als Manager sind wir People Manager. Das macht für mich einen Manager aus.

Melanie: Zum Ende unseres Interviews, was glaubst du, wie werden wir zukünftig arbeiten? Wo geht es hin?

Marcus: Ich glaube, es geht in die Richtung, dass es eine Firma gibt, die dich einstellt und du arbeitest dann wo du willst. Die haben vielleicht ein Büro oder die haben keins, diese Flexibilität, dieses offen sein, ist für mich die Zukunft. Also wenn ich jetzt irgendwann in zehn Jahren den Job wechsle und sage, ich fange bei der Firma X an, die sagt, okay hier ist dein Vertrag, hier ist dein Gehalt, wir sehen uns morgen dann online. Das ist für mich die Zukunft. Ob das total verteilt ist oder ob es ein Büro gibt, wo man ab und zu mal hingehen kann, das ist im Prinzip egal. Es geht hauptsächlich darum, dass wir das virtuelle Arbeiten verstehen und vor allem, dass das Menschliche nicht verloren geht. Dass man transparent, offen und ehrlich bleibt und die Sachen gut vorantreibt und das Menschliche bleibt.

Melanie: Hast du noch eine Botschaft, die du mitgeben möchtest, was diese Art des Zusammenarbeitens betrifft?

Marcus: Nichts in Stein zu meißeln, gerade was die digitale Arbeit angeht, zu experimentieren und zu sagen „Hey, das hat nicht funktioniert, cool, wir probieren mal was Anderes.“ Sei es ein Meeting, sei es, wie man arbeitet, egal. Also nie etwas in Stein zu meißeln für die nächsten fünf Jahre, das wird nicht funktionieren. Und beim virtuellen Arbeiten daran zu denken, dass wir mit Leuten zu tun haben, die irgendwo auf der anderen Seite sitzen und ihre eigenen Sachen zu tun haben, ihre eigenen Erfolge und Probleme haben, die man mitberücksichtigen muss.

Melanie: Dankeschön für die spannenden Einblicke.

Marcus: Sehr gerne.

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