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Digitale Transformation in der Personalentwicklung – der klassische Trainer ist überholt

Interview mit Hans-Peter Machwürth von Machwürth Team International

Das Machwürth Team International (MTI) ist ein global tätiges Beratungs- und Trainingsunternehmen. Seit 30 Jahren unterstützt MTI mit 450 Beratern, Trainern und Projektmanagern weltweit, Unternehmen beim Umsetzen ihrer Strategien in der Personal- und Organisationsentwicklung. MTI stellt seinen Kunden zudem Online-Instrumente wie Lernplattformen und digitale Lerntools zur Verfügung. MTI ist auf allen Kontinenten mit einer eigenen Gesellschaft vertreten. Ein Schwerpunkt in der internationalen Tätigkeit ist der asiatische Markt. Hans-Peter Machwürth selbst ist geschäftsführender Gesellschafter aller Unternehmen der MTI-Gruppe. Neben dem parallelen Ausbau des eigenen Unternehmens begleitet Hans-Peter mit seiner Erfahrung im Change Management schwerpunktmäßig Unternehmen, die Reorganisationen, Merger oder andere Change-Prozesse durchlaufen. MTI hat im Jahr 2019 die Studie „Digitale Transformation als Herausforderung in der Personalentwicklung“ durchgeführt. Dies war ein guter Grund Hans-Peter Machwürth zu fragen, ob er sich ein Interview mit mir zum Thema „Digitale Transformation in der Personalentwicklung“ vorstellen könnte. Hier nun das Interview:

Hans-Peter Machwürth –
geschäftsführender Gesellschafter der MTI-Gruppe

Melanie: Was sind denn die Hauptfokusthemen von Machwürth Team international?

Hans-Peter Machwürth: Wir haben sechs Säulen, in denen wir arbeiten. Drei im Personalentwicklungsbereich und drei im Organisationsentwicklungsbereich. Zwei Hauptsäulen in der Personalentwicklung mit jeweils einem Drittel des Umsatzes sind Führung & Management und Vertrieb & Service, und die dritte Säule widmet sich den Business Skills. Im Organisationsentwicklungsbereich sind es die Arbeits- und Beratungsgebiete Change, Teamentwicklung und Lean Management. Diese Arbeits- und Beratungsthemen decken wir in Deutschland als auch international ab. Wir realisieren etwa fünfzig Prozent unseres Umsatzes in Deutschland und fünfzig Prozent in internationalen Projekten. Ein Wachstumsfeld ist die Zusammenarbeit mit Organisationen im Nonprofit-Bereich z.B. Behörden und Verwaltungen. In diesen Organisationen ist die Zeit nun reif, die Themen aufzugreifen, die in der Wirtschaft bereits bearbeitet wurden. Zusätzlich nimmt das Thema Gesundheit einen größeren Stellenwert ein.

Melanie: Und was haben Sie für Kunden, sowohl Großkonzerne als auch den Mittelstand, oder gibt es da einen Fokus?

Hans-Peter Machwürth: Das ist ziemlich gemischt. Wir haben beispielsweise Großkunden aus dem Automotivbereich, insbesondere Zulieferer; wir arbeiten gerade aktiv an dem Thema Umgang mit der digitalen Transformation. Es geht darum, die Werke und die Führungskräfte auf der Worker-Ebene wie Meister, Schichtleiter, Produktionsleiter mit den Themen Digitalisierung vertraut zu machen und welche Veränderungen in der Arbeitsgestaltung auf die Produktion zukommt. Hier haben wir in Deutschland ein Pilotprojekt gemacht und sind derzeit in Mexiko in der Umsetzung. Das ist sehr spannend und interessant zu sehen, dass man über Digitalisierung spricht und gleichzeitig noch mit sehr analogen Lernmethoden arbeitet, weil die Produktionsbereiche noch nicht so aufgestellt sind, dass für alle Fachkräfte ein Zugang zu digitalen Tools, z.B. Laptops, Smartphones, Tablets möglich ist, um Lernformate digital zu verwirklichen. Da auch das Mindset in der Produktion eher Anpassbarkeit bevorzugt, haben wir z.B. ganz „normale“ Notizbücher, die mit themenbezogenen Einklebern zum Selbstgestalten des Lernens anregen sollen und prima angenommen werden. Es erfordert mitunter Kreativität, um das Spannungsfeld zwischen konzeptionellen Vorstellungen und praktischer Umsetzung – Anspruch und Realität – zu meistern. Gerade wenn zudem noch kulturelle Unterschiede zu managen sind.

Melanie: Was machen Sie selbst bereits zum Thema Digitalisierung im Lernbereich? Womit beschäftigen Sie sich?

Hans-Peter Machwürth: Wir haben selbst ein IT-Team und nach und nach haben wir unsere Prozesse digitalisiert. Das heißt beispielsweise, wir arbeiten heute nicht mehr mit einem Papier-Feedback nach den Trainings, sondern wir haben ein digitales Seminarfeedback im Einsatz. Und wir haben ein Tool, das nennt sich MTI Dialog, ein digitales Brainstorming Tool. Da können Sie vor dem Training mit den Teilnehmern in die Kommunikation gehen und Interessen abfragen. Früher hat man eine Pinnwand gehabt und hat die ersten Stunden im Training dafür verwendet. Das machen wir heute digital vor dem Training. Zudem haben wir ein LMS (Learning Management System) für unsere Kunden eingerichtet. Hier stellen wir die kognitiven Inhalte vor einem Face-to-Face Training ein, z.B. ein Video oder Podcast. Damit trennen wir kognitive Inhalte vom Verhaltenstraining mit Feedback. Die Wissensinhalte nehmen wir somit digital vorweg. Heute braucht man weniger „schlaue Trainer“, die den Teilnehmern das Wissen präsentieren, da man das Wissen im Internet oder an anderen Stellen nachlesen kann. Dafür bekommt das Trainieren auf der Verhaltensebene im Präsenztraining mehr Zeit, die Teilnehmer zu coachen und beim Lernen individuell zu begleiten. Wir haben dazu ein modernes und nachhaltiges Lerndesign entwickelt. Im ersten Schritt sollte die Führungskraft ein Vorbereitungsgespräch mit dem Teilnehmer durchführen. Im zweiten Schritt findet dann Lernen auf dem LMS mit Selbstlernmaterial statt. Im dritten Schritt gestalten wir ein Webmeeting, wo wir mit den Teilnehmern die Dinge, die sie zur Verfügung gestellt bekommen, reflektieren. Wir bringen die Teilnehmer auf ein gleiches Level und vernetzen diese miteinander. Dann gibt es meistens ein Pre-Work, wo die Teilnehmer einen Fall aus ihrem Daily Business einbringen sollen, an dem wir dann im Präsenztraining weiterarbeiten. Im Anschluss an das Präsenztraining gibt es eine Transferaufgabe und dann noch ein Nachbereitungs-Webmeeting. Zusätzlich können wir mit Learning Nuggets Lernende und Teilnehmer auch regelmäßig per Smartphone mit Inhalten, Tipps und Anregungen „füttern“. Und am Ende soll möglichst ein Auswertungsgespräch mit der Führungskraft geführt werden. Dadurch haben wir mehrere Lernschleifen und können so eine andere Nachhaltigkeit erreichen. Dieser pragmatische Ansatz in der Kombination verschiedener Tools und Verfahren, als eine Form des Blended Learning ist für Personalentwickler auch gut handhabbar.

Melanie: Und machen die Teilnehmer das? Beschäftigen sie sich vor dem Präsenztraining mit dem Lernmaterial?

Hans-Peter Machwürth: Das funktioniert in der Regel ganz gut. Wenn man das restriktiv macht, dann macht man immer einen Knowledge Check und du darfst nur zum Präsenztraining kommen, wenn du den bestanden hast. So etwas lässt sich manchmal jedoch nicht wirklich durchsetzen und die Frage ist auch, fördert das Lernbereitschaft und unterstützt so etwas die Unternehmen in der Entwicklung von qualifizierten Mitarbeitern. Da kommen wir auch zu einem wichtigen Punkt. Ich glaube, dass modernes Lernen und seine Möglichkeiten, nicht nur heißt, Lernen digital abzubilden. Sondern die Frage ist: Welche Lernkultur haben wir? Und solange wir eine Lernkultur haben, die heißt: „Ich gehe zum Seminar und lasse mir etwas beibringen“, dann haben wir eine Lernkultur, die die digitalen Möglichkeiten noch nicht nutzt. Also alles, was sozusagen kognitiv im weltweiten Web steht, sollten die Lerner eigentlich für ihre Lernvorbereitung nutzen und da brauchen sie keinen Trainer, der ihnen tolle Folien präsentiert für teures Geld. Und nach sechs Wochen sind neunzig Prozent des Wissens weg, statistisch betrachtet. Das ist immer wieder die Diskussion mit den Unternehmen, dass man solche Lerndesigns mit den Firmen bespricht. Natürlich bekommen wir auch jede Menge Anfragen von Kunden, die einfach klassische Trainings einkaufen wollen. Wenn ich denen dann mit moderneren Lerndesigns komme, dann ist das oftmals zu komplex. Also da verlieren wir auch manchen Auftrag, weil wir mit der Nachhaltigkeit schon ein bisschen provozieren und es oft als „Aufblähen“ verstanden wird. Wir haben auch keine Trainer mehr, sondern Lernbegleiter oder Lerncoaches. Der klassische Referent, der ist überholt.

Melanie: Das ist interessant!

Hans-Peter Machwürth: Das Verhalten kommt letztendlich über Reflexion, über Feedback, über konkretes Ausprobieren und über Diskussionen, über das sich selbst in die Themen Hineindenken. Das kommt nicht, weil ein Trainer vorne steht und schöne Präsentationen abhält.

Melanie: Jetzt haben Sie ja die Studie zur digitalen Transformation als Herausforderung für die Personalentwicklung durchgeführt. Was hat Sie dazu bewegt diese Studie zu machen? Und was ist dabei rausgekommen?

Hans-Peter Machwürth: Meine Frau war auf der Messe in Hannover und hat Impulse mitgebracht. Eine Kollegin war in den USA und hat auch Impulse mitgebracht. Wir haben dabei festgestellt, was möglich ist und was bereits gemacht wird. Das sind riesen Unterschiede. Da haben wir uns gesagt: „Wir müssen mal schauen, wo wir da in Deutschland unterwegs sind“ und haben dann Unternehmen angeschrieben und auch 145 Feedbacks zurückbekommen. Was man schon mal sagen kann, ist, dass sich der Blended Learning Ansatz durchgesetzt hat. Wenn man dann anschaut, wo die Unternehmen in der Digitalisierung von Lernformen stehen, da gibt es ganz wenige, die schon wirklich als Digital Leader voll dabei sind und wenn dann sind es eher kleine als große Unternehmen. Nur etwa die etwa Hälfte der Unternehmen nutzen ein LMS. Meine Vermutung ist, dass in Großunternehmen der Anspruch der Investition in digitales Lernen immer deutsch, sehr perfekt sein muss. Wenn ich China anschaue, was da passiert, die machen das ganz einfach. Da bekommen Sie ein Smartphone in die Hand gedrückt und es wird ein Fachspezialist an ein Flipchart gestellt und gesagt: „Erkläre den Mitarbeitern, was du gerade wie machst und das soll nicht länger als fünf Minuten dauern“. Dann haben Sie schon ein Fachvideo, das sie verteilen können. Und bei uns, da wird eine Agentur beauftragt. Das muss dann hundertprozentig sein. Das muss auch wunderbar gesprochen sein. Da darf kein Stotterer drin sein und dann wird das alles sehr lang und sehr teuer und damit entschleunigen Sie die Entwicklung, weil Sie den Anspruch der Perfektion haben. Da wird ein großer Aufwand betrieben und dann kommt das nicht zum Tragen, weil bis dahin die Inhalte schon wieder veraltet sind. Wir müssten da viel pragmatischer werden. Und ein weiteres Handicap, das haben wir in der Studie auch gesehen, ist, dass die meisten Personalentwicklungen zu wenig IT-Ressourcen haben oder auf zu wenig IT Ressourcen zugreifen können. Und so entsteht dann ein Engpass.

Melanie: Welche Bedeutung hat dann das Präsenzlernen noch zukünftig?

Hans-Peter Machwürth: Wenn es um Feedback geht und wenn Sie Kommunikationsmuster anschauen, das kriegen Sie rein kognitiv nicht hin. Das müssen Sie erlebbar machen oder auch das Thema Konfliktbehandlung. Also immer, wo Menschen sozusagen in Systemen zusammenarbeiten, brauchen Sie Präsenz. Ich denke, in fünf, zehn, zwanzig Jahren wird es ganz normal sein, dass die Menschen sich die Wissensinhalte, die sie für ihre Arbeit benötigen, selbst erarbeiten. Sie werden dann über Feedbacksysteme und über Coaching begleitet. Es macht keinen Sinn, rein kognitive Inhalte im Training zu vermitteln.

Melanie: Glauben Sie auch, dass Themen wie virtuelle und erweiterte Realitäten Einzug halten werden? Wird das im Trainingsbereich einen Durchbruch erfahren oder eher weniger?

Hans-Peter Machwürth: Also ich glaube schon. Wir haben gerade für einen Kunden einen Onboarding-Prozess gemacht, wo wir die Bewerber, wenn sie den Vertrag unterschrieben haben, schon vorab virtuell durch die Büroräume führen, ihren Arbeitsplatz zeigen und die Kollegen vorstellen. Das ist eine erste Vorstufe. Was aus meiner Sicht momentan noch zu wenig eingesetzt wird, sind Podcasts oder Videoclips mit Arbeitsthemen, kognitiven Inhalten. Das ist eine Lernform, die ich wirklich autonom nutzen kann wie z.B. im Zug, in der Bahn etc. Meiner Ansicht nach wird dieses Potenzial noch überhaupt nicht ausgeschöpft in dem Umfang, wie es möglich wäre.

Melanie: Wie sieht nun die Personalentwicklung in der Zukunft aus? Wie muss sich diese aufstellen?

Hans-Peter Machwürth: Meine These ist und die entwickle ich schon seit Jahren, Personalentwickler und Organisationsentwickler sowie Controller müssten zusammen zu einer internen Beratungseinheit werden, die die Führungskräfte begleiten. Da hat man dann den Fokus einmal auf Zahlen, Daten, Fakten, auf der anderen Seite auf Prozesse und Veränderungen und auf der dritten Seite auf den Menschen. Am besten wäre ein gemischtes Team, die die Führungskräfte gemeinsam beraten. Dann hätte man die notwendige Qualität.

Melanie: Das heißt, die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens mit den entsprechenden relevanten Abteilungen muss eine andere sein?

Hans-Peter Machwürth: Ja, und dann müsste man die IT noch mit dazu nehmen.

Melanie: Was können dann Externe machen? Was glauben Sie, wie können Sie da sinnvoll unterstützen?

Hans-Peter Machwürth: Ja, da gibt es drei Ansatzpunkte. Einmal das Ressourcenproblem, wenn die internen Abteilungen im Unternehmen zu wenig Ressourcen zur Verfügung haben. Zum anderen ist es ein Supervisionsthema, wo man interne Abteilungen supervidieren kann und zum Dritten geht es um Co-Management, wo man sagt: „Wir machen gemeinsam eine Ist-Analyse und entwickeln dann Konzepte und setzen diese co-kreativ um“.

Melanie: Was gibt es am Ende des Interviews noch, was Sie gerne mitgeben möchten, im Hinblick auf die Digitalisierung?

Hans-Peter Machwürth: Also ich denke, wir müssen die deutsche Gründlichkeit bereinigen und müssen pragmatisch einfach tun und ausprobieren, weiterentwickeln, in die nächste Lernschleife gehen. Einfach machen und kreativ sein und nicht auf die letzte Vorstands- oder Geschäftsführungsentscheidung warten, sondern mal wirklich ausprobieren. Ich glaube, dann verändert sich die Kultur. Die jungen Menschen, die nachkommen, die haben da überhaupt keinen Stress mit.

Melanie: Vielen Dank für diese spannenden Einblicke.

Hans-Peter Machwürth: Sehr gerne.

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