Interview mit Jens Kraiss – CEO und Founder Cooning GmbH
Status Quo und Ausblick zum Digitalen Lernen und Coaching
Auf meiner digitalen Reise der Psychologie habe ich durch eine berufliche Zusammenarbeit Jens Kraiss, den Gründer und CEO der Cooning Gmbh, einer Online Business Coaching Plattform für Unternehmen und Einzelpersonen, getroffen. Das war eine gute Gelegenheit für mich, Jens zu fragen, ob er sich ein Interview mit mir zu den Themen Digitales Lernen und insbesondere Digitales Coaching vorstellen kann. Hier nun das Interview mit Jens:
MH: Woher kommst du beruflich und was hat dich bewogen die Cooning GmbH zu gründen?
JK: Vor Cooning war ich 15 Jahre im Porsche Konzern tätig und dort 5 Jahre im Learning & Development Bereich. Als Projektleiter war ich für die Talent- und Entwicklungsprogramme verantwortlich. Nebenberuflich habe ich face-to-face Coachings durchgeführt und dabei festgestellt, das funktioniert so nicht, digital passt besser in meine Familien- und Lebenssituation. Mit Cooning habe ich dann so Anfang 2017 begonnen. Es war klar, wenn ich mich selbständig mache, dann muss es ein digitales Geschäftsmodell sein. Ich wollte Arbeit und Leben miteinander verbinden, egal wo ich bin, ob zuhause bei meiner Familie oder beim Skifahren in St. Anton.
MH: Lass uns zunächst mit digitalem Lernen einsteigen, da du vor Cooning insbesondere im Learning & Development Bereich tätig warst. Wo geht digitales Lernen deiner Meinung nach hin?
JK: Wir werden in den nächsten Jahren versuchen, alles zu digitalisieren. Auch VR (Virtuelle Realitäten) und KI (Künstliche Intelligenz) werden immer mehr Einzug in den Lernkontext halten. Die Frage ist: Wie lange hält das an? Ich glaube bei komplexen menschlichen Prozessen wie z.B. bei Führungsthemen brauchen wir den Direktkontakt. Bewusst wieder Präsenz und direkten Kontakt suchen. Ich glaube, dass es sich verändern wird, zumindest eine Mischung, eine blended Form, wird sich hier abzeichnen.
MH: Wie steht es um digitales Coaching?
Digitales Coaching ist noch mit einer höheren Distanz verbunden als digitales Lernen bzw. E-Learning. Bei digitalem Lernen kann ich mehr Themen und Inhalte abdecken. KI kann ich mir aktuell im Coaching nicht vorstellen. Bei Vorprozessen wie beim Thema Matching zwischen Coach und Klient und bei der Auftragsklärung kann ich es mir vorstellen. Bei den einfachen Themen im Coaching werden sich z.B. auch Bots durchsetzen können. Bei komplexen Coachingthemen noch nicht oder erst später. Was kommen wird, ist, dass Coach und Klient zusammen in einem virtuellen Raum sitzen, mit VR-Brille, das wird Coaching verändern, das kann ich mir super vorstellen.
Interessant ist es, dass ich persönlich als Coach auch besser damit umgehen kann, wenn ich Distanz habe, also digital oder nur mit Telefon zugeschaltet bin. Da kann ich als Coach Emotionen besser triggern. Ich kann mich besser konzentrieren, mehr fokussieren. Das geht noch besser, wenn ich als Coach ohne Video zugeschaltet bin und meinem Klienten nur zuhöre. Das ist dann so, als wäre ich ein Blinder und ich kann das, was andere sehen, auch hören.
MH: Was muss man können beim digitalen Coaching?
Eine technische Affinität ist wichtig und vor allem Neugier, Methoden digital auszuprobieren. Wir haben mit Cooning eine Online Learning-Session zum Thema Mindfulness im Coaching mit Achtsamkeitsübungen durchgeführt, das hat online sehr gut funktioniert. Eine Grundvoraussetzung ist dafür ein Bluetooth Headset und zwei Kameras können sehr nützlich sein. Auch Psychodrama Aufstellungen habe ich schon online durchgeführt. Als Coach muss man es selbst ausprobiert haben. Fragetechniken und Visualisierungen mit Whiteboard und PowerPoint sind überhaupt kein Problem beim digitalen Coaching.
Essentiell ist der Umgang mit der jeweiligen Software, egal ob Zoom oder WebEx, ich muss mich damit vorab auseinandersetzen. Die Kunden auch darauf vorbereiten. Und einen Technikcheck vorher mit dem Coachee machen. Medienkompetenz ist hier wichtig. Es ist aus meiner Erfahrung heraus auch keine Altersfrage. Die Haltung ist wichtig: ok ich probiere das aus.
MH: Was geht deiner Meinung nach im Coaching gar nicht digital?
JK: Mmh, da merke ich gerade, ich häng’, etwas zu finden. Ich kann mir alles digital vorstellen. Offenheit und Experimentierfreudigkeit sind entscheidend. Der erste Kontakt face-to-face ist für manche Klienten jedoch sehr wichtig.
MH: Wo geht es mit digitalem Coaching hin?
JK: In den nächsten Jahren sehe ich extremes Potential, es gibt jedoch aktuell noch Zurückhaltung. Ich muss immer wieder feststellen, wow, wie weit die meisten alle noch weg sind. Ich bin überrascht. Das habe ich unterschätzt. KI ist im Coaching noch ganz weit weg. Wir haben mit Cooning festgestellt, dass digitales Coaching ein extrem erklärungsbedürftiges Produkt ist. Da müssen wir uns umstellen, deutlich mehr Inhalt anbieten, z.B. mittels Webinare.
MH: Digitales Lernen, wo geht das hin?
JK: Mein Gefühl ist, dass es da schneller geht als im digitalen Coaching. Es gibt so viele Anbieter, das Angebot ist riesig. Die Frage für Unternehmen ist, wie kanalisiere ich das, wie mache ich es zielgruppengerecht. Unternehmen brauchen eher eine methodische Unterstützung, Technik ist gar nicht das Thema, für Großunternehmen sind manche Plattformen gar nicht umsetzbar, es geht nicht primär um Technik, Methodik und Inhalte sind zentral, hier ist Unterstützung erforderlich. Egal in welchem Unternehmen wir sind, geht es schnell um selbstorganisiertes Lernen. Da müssen Mitarbeiter begleitet und vorbereitet werden. Wovon ich überzeugt bin, wir bieten euch als Unternehmen ein Webinar an, lassen Sie es uns zeigen und ausprobieren, z.B. mit Führungskräften oder der Personalentwicklung. Manchmal ist es die Einfachheit.
MH: Was möchtest du abschließend noch sagen, verbunden mit der Frage, wo bleibt der Mensch?
JK: In 10-15 Jahren kann ich mir vorstellen, dass mein Geschäftsmodell wieder weg vom Digitalen geht. Zukünftig wird es immer wichtiger, Phasen zu suchen, wo ich außerhalb der digitalen Welt sein kann. Balance zu finden, ist dann essentiell. Ein ganz bewusstes Rausgehen aus der digitalen Welt. Menschsein ist entscheidend, digital habe ich durchlebt, jetzt ist wieder mehr face-to-face wichtig. In dem Sinne, es ist so schön, dich zu sehen. Jetzt weiß ich, du bist wirklich real.
MH: Vielen Dank, Jens.